Sommer-Zeltlager 1968 am Seehof

(Sonderausgabe des TSV-Vereinsblatts vom September 1968)

Unser Bericht über das Sommer-Zeltlager 1967 schloß mit den Worten: Wir freuen uns heute schon auf das Zeltlager 1968.

Mit uns freuten sich eine große Anzahl Jugendlicher, denn eine weitere, beachtliche Steigerung der Teilnehmer bewies, welche Resonanz unsere Zeltlager bei unseren Buben und Mädchen finden:

1965 waren es 13 Teilnehmer,
1966 waren es 28 Teilnehmer,
1967 waren es 50 Teilnehmer,
1968 waren es über 60 Teilnehmer, die, obwohl der Termin nicht gerade der günstigste und auch das Wetter alles andere als ideal war, mit Spannung auf den Startschuß warteten.

Nach zahlreichen Vorbesprechungen und Überwindung mancher Schwierigkeiten war es dann so weit:

Lager I für Jungen vom 11. August bis 18. August
Lager II für Mädchen vom 18. August bis 24. August.

Wir benützten auch in diesem Jahre wieder die Anlagen des Sportvereins Erlenbach am Seehof und konnten gerade heuer feststellen, welchen Vorteil es hat, ein festes Dach über dem Kopf zu haben.

Der Abmarsch der Buben erfolgte am Sonntag, 11. August bei strahlendem Sonnenschein über Lindelbrunn zum Seehof.
Das am Lindelbrunn stationierte Fahrzeug für "Fußkranke" erwies sich als notwendig, weil einige Teilnehmer sich bereits Blasen gelaufen hatten.
Trotzdem wurde die Strecke gut bewältigt, und der Einzug ins Lager vollzog sich mit viel Trompetengeschmetter und keineswegs lautlos.
Von unseren Freunden, den "Falken" aus Braunschweig erhielten wir auch in diesem Jahr das notwendige Zeltmaterial. Es war, wie sich später herausstellte, ein Glück für uns, daß das große Versammlungszelt der Falken, der "Elefant", an einer wassergeschützten Stelle stand, so daß wir auf die kleineren Zelte am üblichen Standort vor dem Sportheim, der allerdings sehr wassergefährdet ist, verzichten konnten.
Denn am nächsten Tag ging nämlich das europäische Einheitswetter wieder los und blieb uns während des ganzen Lager I treu:
Jeden Tag Regen! Trotzdem blieb es im Elefant staubtrocken, und den Lagerverantwortlichen fiel mancher Stein vom Herzen.

Aufgrund gemachter Erfahrungen wußten wir, daß die erste Nacht im Lager die unruhigste ist. So viel Neues und Ungewohntes muß erst einmal bewältigt sein. Bis die Letzten einschliefen, waren die ersten schon wieder wach. Die Wahl: Einen Sack voll Flöhe hüten oder 30 Buben in der ersten Nacht im Lager Ruhe zu gebieten fällt leicht, deshalb war für den ersten Morgen ein Frühmarsch angesetzt:

5 Uhr Wecken, anschließend Waschen,
1/2 6 Uhr heißer Kakao,
3/4 6 Uhr Abmarsch.

Unser Weg führte uns im Frühnebel in steilem Aufstieg auf das Hirzeckhaus, von da aus weiter zur Pfälzer Hütte, wo um 3/4 9 Uhr bereits unser Smutje Wilhelm Hagenmüller mit einem großen Korb voll belegter Brote und heißem Tee auf uns wartete. Dieses Frühstück schmeckte --- und frischgestärkt ging es weiter nach Reisdorf. Nach einer Lokalrunde in einer Gartenwirtschaft führte uns der Rückweg in weitem Bogen zum Seehof zurück. Rund 17 Kilometer, bergauf und bergab, lagen hinter uns. Wer vermag zu zählen, wie oft "Walter der Dünne" frug: Wie weit ist es noch ? Als ihm einer kurz vor dem Ziel eröffnete: "Jetzt sind es noch genau 12 Kilometer", fürchteten wir alle um sein seelisches Gleichgewicht.
Das anschließende Mittagessen und die danach folgende Siesta wurde in vollen Zügen gekostet.
Überhaupt war auch im diesjährigen Zeltlager das Essen mit einer der wichtigsten und erfolgreichsten Lagerprogramme:
Für die, die noch nicht bei uns waren, wollen wir nachstehend einmal unseren Speiseplan, der in beiden Lagern etwa gleich war, aufführen:

Zum Frühstück gab es täglich:Brötchen, Butter, verschiedene Käse, Marmelade, Honig und Kaba.
Und das nicht in zugeteilten Portionen, sondern jeder konnte zugreifen, solange er wollte. Daß einer 5/6 doppelte Brötchen aß, war durchaus keine Seltenheit.
Zum Mittagessen gab es:Fleischsuppe, Rindfleisch, Meerrettich, Gurken und Brot.
oder:Kartoffelsalat, heiße Fleischwurst.
oder:Frikadellen, Erbsen und Gelbrüben, Salzkartoffeln.
oder:Backofennudeln (Knöpp), Weincreme,
vorher Erbsensuppe.
oder:Bratwurst, Sauerkraut, Salzkartoffeln.
oder:Gulasch, Pfanniknödel, Salat,
zum Nachtisch: Pudding und Obst.
Zum Abendessen gab es:Hausmacher Dosenwurst, Hartwurst, Eier, Käse, Aufschnitt, Brot, Butter, Tee usw.

Daß es uns, trotz dieses reichhaltigen Speiseplanes und wörtlich zu nehmender voller Verpflegung möglich war, mit einem Unkostenbeitrag pro Lagerteilnehmer und Tag von DM 2.- auszukommen, macht uns, das sagen wir ehrlich, ein wenig stolz.
In diesem Betrag sind auch noch die Kosten, die zusätzlich angefallen sind, enthalten.
Wir führten im Buben-Lager einen Fotolehrgang durch, zu dem die Filme und Entwicklungskosten gestellt wurden. Die Schießwettbewerbe kosten Geld.
Im Mädchenlager lag das Schwergewicht auf typischen fraulichen Tätigkeiten: Das Anrichten von kalten Platten, zu dem eigens eine Fachkraft aus Landau geholt wurde, war ebenso mit Kosten verbunden, wie das Anlernen und Durchführen von Stoffdrucken.
Wir sind überzeugt, daß es nicht viele Jugendgruppen gibt, die mit einem Kostenbeitrag von DM 2.- pro Tag und einem vollen Lagerprogramm (also alles inbegriffen) ein Zeltlager durchführen.

Doch zurück zum Bubenzeltlager:
Es wurde selbstverständlich nicht nur den ganzen Tag gegessen, da gab es einen Wettkampf, der sich über mehrere Tage hinzog, bestehend aus: Waldlauf, 100m-Lauf, Weitsprung, Kugelstoßen, Schießen und zwei Quiz-Wettbewerben, die es in sich hatten.
Da wurden die schönsten Wurzelmännchen und Wurzeltiere im Walde gesucht und zurechtgemacht, da war unser großes Geländespiel, das vor Spannung und Erregung nur so knisterte.

Zwischendurch wurde, wenn es das Wetter zuließ gebadet. Es entstand in tagelanger Arbeit ein wunderschöner Marterpfahl, der inzwischen an der Turnhalle seine Aufstellung gefunden hat.
Unsere Jugendmannschaft schlug in einem Handballspiel eine aktive Mannschaft der Bundeswehr-Fallschirmjäger und eine Mannschaft aus Bruchsal.
Unsere abendlichen Lagerfeuer waren stets ein schöner Tagesausklang, insbesondere dann, wenn an diesem Lagerfeuer noch saftige Hähnchen schmorten.

Um 10 Uhr war jeweils Lagerruhe und um 1/2 11 Uhr Zeltruhe, dann hatte nur noch die Lagerwache, in zweistündigem Wechsel Dienst. Es waren die sogenannten stillen Stunden eines Tages, wo einer zusammen mit seinem Freund, am brennenden Lagerfeuer die absolute Stille des nächtlichen Waldes und die besondere Atmosphäre, die gerade ein Lagerfeuer ausstrahlt, auf sich wirken lassen konnte.
Daß dabei besonders für unsere Jüngsten die tollsten Abenteuer die besten waren, versteht sich von selbst. Allen ist wohl noch in Erinnerung, als einer der Jüngsten einem aus dem Dunkel hervorkommenden, schwerbewaffneten Individuum mit Todesverachtung entgegentrat und unmißverständlich entgegenrief: "Bis hierhin und nicht weiter!" Daß es sich hinterher als Bundeswehrposten erwies, der sich an unserem Lagerfeuer wärmen wollte, tat der Bravour und dem mannhaften Meistern der Situation keinerlei Abbruch. Unsere Nachtwache war auf ihrem Posten !!!
So ging also das Bubenlager am Sonntag, dem 18. August zu Ende, und wo eine Woche lang "rauhe Männerkehlen" die Szene beherrschten, gaben nun über 30 lieblich-tönende Grazien den Ton an.

Und mit dem Einzug unserer Mädchen war das Regenwetter wie abgeschnitten und die herrlichen Sommertage waren da. Soviel bräver als die Buben waren unsere Mädchen noch nie, daß der Wettergott so einen Unterschied machen dürfte!
Auch im Mädchenlager wurde am ersten Morgen, nachdem die erste Nacht durchschnattert war, ein Frühmarsch angesetzt.
Und siehe da, in der zweiten Nacht war eine so himmlische Ruhe, daß sich die Lagerverantwortlichen Sorgen machten, ob da überhaupt noch jemand am Leben ist.
Auch hier wurde der gemischte Wettkampf durchgeführt und darüber hinaus für die künftigen Handballspielerinnen von unserem Herbert Klein ein tägliches Trainingsprogramm abgewickelt.

Von einer Fachkraft aus Landau wurde das Anrichten und Garnieren von kalten Platten demonstriert, und jede der Mädchen richtete für den Elternabend einen Teller her, der von unseren Besuchern nicht nur bewundert werden konnte, sondern auch aufgezehrt werden durfte.

Unter Anleitung einer Idealistin ebenfalls aus Landau wurden die Mädchen mit der Technik des Kartoffeldruckes vertraut gemacht, und in einer kleinen Ausstellung am Elternabend wurden den Besuchern die schönsten Kunstwerke vorgestellt.

Überhaupt der Elternabend:
In dem Bestreben, ihn jedes Jahr in einer anderen Form zu gestalten, haben wir in diesem Jahr versucht, das Zusammensitzen um das Lagerfeuer mehr zu betonen.
Nach einem Farblichtbildervortrag über die vergangenen Zeltlager und einem Kosaken-Tanz der Mädchen am Lagerfeuer, nach der Besichtigung unserer kleinen Ausstellung: Stoffdruckarbeiten - Wurzelmänner und Wurzeltiere - Kalte Platten-, saßen wir in großem Kreis um das lodernde Feuer, und wenn wir Wernersberger beisammensitzen, dann reißt das Singen nicht mehr ab.

Alte und neue Volkslieder wechselten ab mit unseren Lager- und Jugendliedern, und im Nu war der Abend verflogen.
Unsere Ehrengäste von Landratsamt, Gemeindeverwaltung Erlenbach, Pfälzer Handballverband und Sportverein Erlenbach freuten sich sichtlich mit uns.
Zu dieser Freude trugen nicht zuletzt die Heidekraut-Sträußlein bei, die wir sämtlichen Besuchern unseres Elternabends überreichten. Auch an dieser Stelle möchten wir den Besuchern unseres Elternabends herzlichen Dank für ihr Kommen sagen.
Es dürften weit über 200 Leute gewesen sein, die durch ihr Kommen ihr Interesse an unserer Jugendarbeit bezeugt haben. Diese Resonanz in der Öffentlichkeit braucht ein Verein, wenn er in seiner Tätigkeit für die Allgemeinheit nicht müde werden soll.

Nochmals zu einem Höhepunkt in unserem Mädchen-Lager wurde unser Nachtmarsch. Über Erlenbach, Busenberg, Schindhardt ging es zum Bärenbrunnerhof. Unser Ehrenmitglied Peter Schuhmacher in Busenberg und unser Mitglied Eugen Hagenmüller in Schindhardt staunten nicht schlecht, als Ihnen zu später Abendstunde ein Ständchen gesungen wurde. Auch auf dem Bärenbrunnerhof wurde geschmettert, daß die Wände wackelten und den Spendern der Lokalrunden ein "Trullala" an den Kopf geknallt.
Um ein Uhr nacht kamen wir ins Lager zurück und um 1/2 10 Uhr den nächsten Morgen lag noch alles im tiefen Schlummer.
So war auch der letzte Tag angebrochen. Aufbruchstimmung zog ein, die letzte Henkersmahlzeit wurde eingenommen, das große Zelt wurde abgebaut, das Sportheim gründlich gesäubert, und schon waren auch die Fahrer da. Alles wurde verstaut, es gab zum Abschied nochmals Kaffee und Kuchen und unser traditionelles Lager-Tagesabschlußlied "Nun Brüder eine gute Nacht" beendete unser Sommerzeltlager 1968.
Wenn es stimmt, was unsere Mädchen und Buben während des Zeltlagers oft sangen:
"Uns geht's gut, wir haben keine Sorgen",

dann war es ein Erfolg, und es bleibt uns allen zu wünschen, daß dieser Zustand möglichst lange anhält.

Wenn unsere Mädchen und Buben sich gern an diese Tage erinnern und daraus noch entsprechende Konsequenzen ziehen in ihrer Einstellung zur Allgemeinheit, dann wird das als Anerkennung empfunden von den Betreuern und Lagerverantwortlichen des Turn- und Sportvereins Wernersberg:

Hertel Götz, Hermann Gläßgen, Wilhelm Hagenmüller, Peter Hagenmüller, Herbert Klein und ganz zuletzt


Eurem

Edmund Bachmann