Zeltlager 1969 im Hochschwarzwald

(Sonderausgabe des TSV-Vereinsblatts vom September 1969)

Hochschwarzwald - Gisiboden - Zeltlager 1969

Das war eine runde Sache !

Nach 4 Jahren Seehof zog es uns diesmal in die Ferne.
Wer hätte geglaubt, als wir vor 5 Jahren die ersten Gehversuche in Sachen Zeltlager unternahmen, daß wir so schnell aus den Kinderschuhen herauswachsen würden und uns praktisch freigeschwommen haben ?

Da unser seitheriger Zeltplatz inzwischen öffentlicher Campingplatz wurde, haben wir uns woanders umgesehen.
Herr Wunderle aus Todtnau betätigte sich als Pfadfinder und entdeckte für uns den Gisiboden.

Die Lagerverantwortlichen besichtigten in einer Vortour am 1. Mai das Gelände und waren Feuer und Flamme.
Der Verein hat für seine Jugend tief in die Tasche gegriffen und beschaffte zu den bereits vorhandenen kleinen Zelten 3 große Schlafzelte und eine Überdachung für den Eß- und Versammlungsplatz.
Wir wurden damit unabhängig von fremden Zelten und festem Haus.

Es konnte also losgehen.

Das Mädchenzeltlager lief vom 28. Juli bis 3. August,
das Jungenzeltlager schloß sich bis 9. August an.

Es war gut, daß ein Vorkommando das Lager fix und fertig aufgebaut hatte, so daß bei Ankunft am Montag den 28. Juli sofort eingezogen werden konnte, und im Handumdrehen alles "zuhause" war.

Das war schon eine beeindruckende Angelegenheit, als nach 5-stündiger Fahrtzeit, über Karlsruhe - Autobahn bis Freiburg - Kirchzarten - über den Notschrei, Todtnau, Geschwend, der Gisiboden erreicht wurde, und man in 1250 m Höhe, mitten im Hochschwarzwald eine Außenstation des TSV 1911 Wernersberg vorfand, in die man nur noch unterzuschlüpfen brauchte.
Die Zelte waren gut mit Heu gepolstert, darauf die Luftmatrazen und die neu angeschafften Schlafsäcke - so schlief es sich wie in Abrahams Schoß.
Unser Chefkoch hatte schon das Mittagessen vorbereitet, so daß kurz nach Ankunft die ganze Truppe an langen, weißgedeckten Tischen die erste Mahlzeit einnahm.
Überhaupt das Essen: Sicherem Vernehm nach sollen auf Wunsch einiger Jungen und Mädchen während der nächsten Wochen eine Anzahl Mütter bei unserem Smutje Wilhelm Kochunterricht erhalten.
Doch Spaß beiseite: Es wurde mitunter nicht mehr gegessen, es wurde gefr....., sollen wir noch mehr über die Qualität unserer Küche sagen ?

Sowohl das Mädchen- als auch das Jungenlager lief in etwa dem gleichen Rhythmus ab:
Nach dem Wecken um 7.30 Uhr war Frühsport, anschließend Waschen, um 8.30 Uhr gab es Kaffee, Kaba. Wanderungen wechselten sich mit Spielen und Baden.
Im Mädchenlager wurden mit den Schuppen von Tannenzapfen Vasen und Flaschen beklebt und die schönsten Souvenirs geschaffen.
Im Jungenlager sorgte das zweiteilige Geländespiel "Schmuggler und Zöllner" für die nötige Spannung.
Ob Peter tatsächlich sein geäußertes Berufsziel "Ausbilder der Zöllner" verwirklichen wird, muß abgewartet werden. Auch Richard muß als Schmuggler nur noch ein paar Kleinigkeiten beachten, um perfekt zu werden.
Nach dem Mittagessen um 12.30 Uhr wurde die traditionelle "Siesta" (Mittagsruhe) bis 14 Uhr streng eingehalten.
Auch der Nachmittag gehörte abwechselnd dem Sport, Spiel, Baden.
So stellten wir fest, daß ein 200m-Lauf für die jüngeren Buben und ein 400m-Lauf für die Älteren in 1250 m Höhe ganz schön anstrengend ist.
Federball, Indiaca, Krocket, Boccia, Wurfpfeile, Karten- und Schachspiele - jeder konnte sich nach Belieben die Zeit vertreiben. Auch der Intelegenz-Quiz mit Fragen aus allen Wissensbereichen wurde mit mehr oder weniger Erfolg bestanden und die Preise hierfür in Empfang genommen.
Zum Handballspiel stand uns der Sportplatz in Todtnau zur Verfügung und das Baden im geheizten Schwimmbad von Todtnau war eine feine Sache.
Die Wanderung zum Feldberg, über das Herzogenhorn und die Grafenmatte, mit Besichtigung einer ganz modernen, eigenwillig gebauten Kirche in Feldberg, und die Auffahrt zum Seebuck mit einer Seilschwebebahn waren beeindruckend.
Tief unten lag ein großes Auge, dunkel und geheimnisvoll der Feldsee. In der Ferne sah man das Silberband, es war der Titisee.
Von Norden her grüßte der große Blechen. Wir waren hoch über allen Bergen - ein toller Anblick !

Am Samstagabend fand in unserem Eßzelt ein Feldgottesdienst zusammen mit den in der Nähe zeltenden Ministranten von Bühl / Baden und deren Pfarrer statt.
Es ist bekannt, daß wir nicht an Kontaktarmut leiden. So bekamen wir bald einen sehr guten Kontakt mit den Wirtsleuten und Pensionsgästen des nahegelegenen Berggasthofes "Gisiboden".
Unsere Familie Wehrle hatte uns offensichtlich ins Herz geschlossen. Sie tat alles, um uns den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen. Dies zeigte sich nicht zuletzt in der Überreichung einer Kuhglocke als Erinnerungsgeschenk, die inzwischen ihren Ehrenplatz im Pokalschrank des Vereinslokals erhalten hat. Wir haben uns riesig gefreut.

Wir revanchierten uns mit Singabenden, und wenn wir Wernersberger unsere gut sitzenden Fahrten- und Lagerlieder anstimmen, dann "wackel die Wand."
Die Gäste gingen begeistert mit. Wenn der Gisibodensong, den wir natürlich sofort in unser Repertoire aufnahmen, ertönte, verdrückte Herr Wehrle eine imaginäre Träne im Knopfloch, während Monika hilfesuchend zum Himmel blickte "Schon wieder ..... ?"

Wohl mit zum absoluten Höhepunkt wurde der Dia-Vortrag des bekannten Sportreporters von Funk und Fernsehen Gert Mehl.
Er berichtete in einem zweistündigen Vortrag von einer Himalaja - Expedition, an der er teilnahm und bei der er sämtliche Finger und Zehen durch Erfrierungen verlor.
Was ein Mensch im Kampf mit Naturgewalten zu leisten und zu ertragen vermag, kann wohl nur der schildern, der dabei war. Es wäre ein dürftiges Unterfangen, hier einen Versuch zu wagen. Einer unserer jüngsten Buben drückte es treffend und ganz schlicht aus: "Das ist ein Held !"
Wir waren tief beeindruckt, nicht zuletzt auch über die Art und Weise, wie Gert Mehl erzählte.

Wenn es sich im Verlaufe des Winters terminlich einrichten läßt, wird Gert Mehl, wie er einem Lagerverantwortlichen versicherte, zu uns nach Wernersberg kommen, um über seine Erlebnisse als Sportreporter bei den Olympischen Spielen zu berichten.
Darauf freuen wir uns heute schon.
Daß die Tagesabläufe ausklangen mit einem zünftigen Lagerfeuer, war natürlich selbstverständlich.
Am letzten Abend nahmen auch zahlreiche Gäste teil, unter anderem der Bürgermeister der Gemeinde Geschwend, und ließen sich den gereichten Spießbraten und den Pfälzer Wein trefflich munden.

Ab 10 Uhr war Lagerruhe und ab 10.30 Zeltruhe, dann hatte nur noch die Nachtwache am niedergebrannten Feuer ihren Dienst, in zweistündigem Rhythmus bis zum frühen Morgen.

Die Tage vergingen wie im Fluge - die Zeit zerrann uns zwischen den Fingern.

Die Stunde des Abschiedes war gekommen - es wurde gepackt - die letzte Henkersmahlzeit stand auf dem Tisch.
Unser Schilling - Bus wurde vollgeladen wie ein Esel.

Es gab ein herzliches Abschiednehmen von liebgewordenen Freunden und einer herrlichen Landschaft in der Gewißheit, daß wir nicht zum letzten Male dort oben waren,

auf dem Gisiboden.


Euer

Edmund Bachmann